Journalists as Transnational Political Actors in Britain and Germany

Journalists as Transnational Political Actors in Britain and Germany

Organizer(s)
Frank Bösch (Universität Gießen); Dominik Geppert (Freie Universität Berlin); Arbeitskreis Deutsche England-Forschung (German Association for the Study of British History and Politics); unterstützt von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
Location
München
Country
Germany
From - Until
18.05.2007 - 20.05.2007
Conf. Website
By
Andreas Rose, München

Vom 18. bis 20. Mai 2007 fand die diesjährige Jahrestagung des Arbeitskreises Deutsche England-Forschung in der gewohnten Umgebung der „Wolfsburg“ in Mühlheim an der Ruhr statt. Die diesjährige Tagung, organisiert von Frank Bösch und Dominik Geppert, beschäftigte sich mit „Journalists as Transnational Political Actors in Britain and Germany“ und griff damit ein hochaktuelles Themenfeld aus dem Bereich der Neueren Internationalen Geschichte auf.

COLIN SEYMOUR-URE (Kent), bekannt durch zahllose Arbeiten zur englischen Presselandschaft des 20. Jahrhunderts, stimmte in seinem Abendvortrag die Teilnehmer nach einer kurzen Ansprache durch die Organisatoren, auf das komplexe Untersuchungsgebiet der englischen Medienlandschaft ein. Er präsentierte seinen Zuhörern eine grundsätzliche Idee über die Funktion der „Media Barons“ in der britischen Politik der Nachkriegszeit. Zunächst ging es dabei um die Definition der Medienunternehmer, die nicht nur ein Unternehmen leiten und kontrollieren, sondern es auch als ihre persönliche Aufgabe betrachten, eine bestimmte politische Agenda damit zu vertreten und zu verbreiten. Sie unterschieden sich von den Pressebaronen und Zeitungsbesitzern des beginnenden 20. Jahrhunderts zunächst vor allem dadurch, dass sie über ganze Konglomerate von Medien verfügten. Über Zeitungen, Zeitschriften, Radiosender und TV Stationen agierten sie inzwischen global. Dabei handelte es sich entweder um Erben regelrechter Mediendynastien wie den Harmsworths, Astors und anderen oder um den Einkauf in bereits bestehende Medienkonzerne. Seymour-Ure nannte Rupert Murdoch hier als das prominenteste Beispiel, da Murdoch sich 1969 mit dem Erwerb der News of the World in den englischen Markt einkaufte. Wirtschaftliche und soziale Motive hätten dabei wie so oft den Ausschlag gegeben, da der Besitz eines Medienkonzerns i.d.R. eine garantierte Eintrittskarte in die englische „Upper Class“ bedeutete. Obwohl die Kaste der Medienbarone seit 1945 immer internationaler geworden sei und auch die Konzerne schneller den Besitzer wechselten, blieben sie für gewöhnlich ihrer Parteizugehörigkeit treu. Eine Ausnahme bilde hier zweifellos Murdoch, dessen „Sun“ zweimal, 1974 und 1997 die politischen Lager wechselte. Immer wieder käme es auch dazu, dass die Medienunternehmer politische Mandate anstrebten. Einen Fall Berlusconi hat es indes bisher noch nicht gegeben, auch wenn es dafür augenscheinlich keine wirklich plausible Erklärung zu geben scheint. Die klassischen Barone, Beaverbrook und Rothermere, strebten eine solche Karriere zweifellos an, aber ihre modernen Nachfolger zeigten bisher überraschend wenig Interesse, auf eine so direkte Art Politik zu treiben.

HANNAH BARKER (Manchester) führte die Teilnehmer am zweiten Tag 200 Jahre zurück und erinnerte an die Anfänge der Pressefreiheit im 18. Jahrhundert. Mit dem Fall des Druckprivilegs 1695 habe demnach die Expansion des englischen Pressemarktes begonnen. Zunächst noch teuer und eher für die intelligenten und wohlhabenden Schichten des Landes, verbreitete sich das Interesse an der Zeitungslektüre im gesamten 18. und 19. Jahrhundert stetig. Nicht von allen erwünscht, entwickelte sich so eine erste Form öffentlicher Meinung. Aber gerade Edmund Burke und andere, so Barker, hätten darin einen Sittenverfall und langfristig auch eine politische Gefahr gesehen. Dennoch vermied die herrschende Elite jegliche Zensur und erst der Duke of Wellington habe seinen politischen Absturz 1830 selbstkritisch seiner eigenen Ignoranz gegenüber der Presse zugeschrieben. Längst aber sei die „Liberty of the Press“ eine Tradition und sakrosankt gegen jede Art von Zensur gewesen, schließlich hätte sich das Verbreiten von Neuigkeiten und politischen Kommentaren inzwischen auch als besonders profitabel herausgestellt. Wenn auch noch nicht besonders respektiert, so erfreuten sich Journalisten und Parlamentsreporter doch bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts eines bestimmten Bekanntheitsgrades und wurden auch für die Parteien und die zur Wahl stehenden Parlamentarier immer interessanter. Bestechungsgelder waren zwar nicht unüblich, aber wohl kaum derart verbreitet, wie die Forschung dies bisher stets behauptet hätte.

FRANK BÖSCHS (Gießen) Vortrag über den „Fourth Estate? Political Scandals and the Media in Imperial Germany and Britain“ baute auf die inzwischen vermittelten Rahmenvorgaben und Grundlagen britischer Mediengeschichte auf und wandte sich dem späten 19. Jahrhundert zu, eine Zeit, in der sich eine Revolution des Medienmarktes und seines Einflusses Bahn zu brechen begonnen habe. Bösch untersuchte die Interaktion zwischen Politik und Presse bzw. deutsch-britischer Beziehungen am Beispiel ausgewählter politischer Skandale. Diese, so Bösch, definierten sich als Brüche kultureller Normen und machten aufgrund breiter öffentlicher Reaktionen die gestiegene Relevanz der Medien offenbar. Als signifikant sei die massive quantitative wie qualitative Zunahme thematisierter Skandale zwischen 1885 und 1914 festzustellen, die über Monate, wenn nicht gar Jahre, den öffentlichen wie internationalen Raum beschäftigt hätten. Mit der Dreyfus- und Zabern- und der Daily Telegraph Affäre seien hier nur die bekanntesten Skandale genannt. In der Zunahme und dem weitgehend unkritischen Umgang mit der Skandalisierung durch die Presse erkennt Bösch einen „fourth estate“, der eine massive Eigendynamik entfaltete und begann, die politische Sphäre wenn nicht zu kontrollieren, so doch zumindest die Distanz zwischen Politik und Presse zu verringern. Ein besonderes Indiz für diese Erklärung erkennt er in der auffälligen Zahl selbst publizierender Politiker oder politisierender Journalisten in England wie auch in Deutschland. Einen weiteren Grund für die Skandal Frequenz seit den 1880er Jahren begründete Bösch neben dem Aufkommen der Massenpresse mit der allmählichen Transformation und Polarisierung der Parteienlandschaften. Skandale wirkten darüber hinaus aber ebenso transnational wie auch auf die anglo-deutschen Beziehungen. Die Akteure in beiden Ländern versuchten z.B. voneinander zu lernen, wie mit verschiedenen Skandalen, beispielsweise zur Homosexualität, Korruptionsaffären oder kolonialen Gräueltaten, umzugehen sei. Darüber hinaus vermittelte der Umgang wie auch die Art und Weise der Skandale bestimmte Images und stereotype Perzeptionsmuster über Deutschland und England, die sich auf deren bilaterale Beziehungen auswirkten.

In der Folge widmete sich DOMINIK GEPPERT (Berlin) der politischen Rolle von Auslandskorrespondenten im Zeitalter des imperialen Ringens vor dem Ersten Weltkrieg. In dem, als „goldenes Zeitalter“ der Auslandskorrespondenten bekannten Vorkriegsjahren übten Journalisten einen bis dahin nicht gekannten Einfluss auf die Perzeptionen von Ländern und politischen Entscheidungen aus. Grund dafür, so Geppert, waren zunächst einmal die technologischen Entwicklungen Ende des 19. Jahrhunderts, Wahlrechtsreformen sowie eine stetig steigende Alphabetisierung. Was ihre Arbeit und ihren Einfluss anbetraf, so Geppert, stehe die Forschung jedoch noch am Anfang. Sie biete aber aufgrund der transnationalen Funktion der Korrespondenten besonders reizvolle Fragestellungen. Die internationale Geschichte könne davon nur profitieren. Ein Hauptproblem dabei sei aber die lückenhafte Überlieferung, außerdem müsse der rein impressionistische Charakter früherer Studien, die bestimmte Ereignisse „im Spiegel der Presse“ betrachteten, überwunden werden. Neben dem Mangel an persönlichen Nachlässen von Journalisten ergebe sich im Falle Britanniens das zusätzliche Problem, dass es in der Vorkriegszeit über kein Pressebüro wie das Auswärtige Amt in Berlin verfügte. Geppert konzentrierte sich in seinem Vortrag deshalb auf die Times, die nicht nur als einflussreichstes Blatt vor 1914 gelte, sondern deren Korrespondenten darüber hinaus auch umfassende Nachlässe hinterlassen hätten. Daraus ginge hervor, dass sie sich insbesondere über ihren Patriotismus zum Empire und ihre Zugehörigkeit zur politischen Elite des Landes definiert hätten. Als inoffizielle Vertreter ihres Landes wirkten sie dabei nicht nur durch ihre Artikel und Berichte, sondern vor allem auch durch persönliche Netzwerke in die höchsten Regierungskreise. Geppert nennt dies den „social network approach of British press policy“, der sich beispielsweise von der eher institutionalisierten Form Deutschlands in dieser Phase unterschieden hätte. Aber auch das Foreign Office in London habe die Kontakte der Times Korrespondenten genutzt, um Informationen über Deutschland zu gewinnen. Als besonderes Beispiel führte er George Sanders an, der überdies auch noch eine eigene, anti-deutsche Agenda verfolgte und gezielt Informationen streute, damit sich die Londoner Entscheidungsträger eher Frankreich und Russland statt dem Kaiserreich näherten. Bei aller Professionalisierung des Pressewesens in dieser Zeit sei festzuhalten, dass Korrespondenten wie Valentine Chirol, William Thomas oder George Saunders die Berichterstattung mit einer eigenen politischen Agenda verbanden und so Einfluss auf die Perzeptionen und Entscheidungen in der Heimat nehmen wollten.

MARTIN SCHRAMM (Bayreuth) griff diese Überlegungen auf und leitete nahtlos in die Zeit des Ersten Weltkrieges über. Die englische Presse und ihre Journalisten entwickelten sich nun vom politischen Akteur zur Kriegspartei. Kaiser Wilhelm II. erkannte demnach in der Londoner Zeitungswelt, kommandiert von Lord Northcliffe, sogar eine kriegentscheidende Waffe. Dabei seien sich die führenden Pressevertreter in der Julikrise keineswegs einig über eine Intervention gewesen. Im Gegenteil, die große Mehrheit präferierte bis Ende Juli die Neutralität. Lediglich die von Northcliffe geführten Organe, die Times, die Daily Mail und die Evening News hätten von Anfang an für einen Krieg gegen das Kaiserreich plädiert. Sodann seien aber auch die bis dahin unentschlossenen Blätter auf Kriegskurs gegangen, während ca. ein Drittel bis zum Kriegsausbruch ihren pazifistischen Kurs unabhängig von einer Verletzung der belgischen Neutralität beibehalten habe. Hatte sich das Londoner Kabinett erst einmal zum Krieg entschieden, habe es um die Unterstützung der schreibenden Zunft gebeten und auch erhalten. Zensiert seien indes bloß militärische Akte gewesen, während die politische Kritik unzensiert geblieben sei. Vor allem die bisherigen Kriegsgegner wie Spender und Scott, so Schramm, hätten sich nun besonders bei der Propaganda hervorgetan, die während des Weltkrieges eine völlig neue, außerordentlich professionelle Dimension erreicht habe. Britannien führte demnach einen Krieg zum Schutze der Zivilisation gegen die deutsche Barbarei. Ein Bild, welches auch nach dem Krieg noch Jahrzehnte, z. T. bis heute nachwirke. Martin Schramm bestätigte in seinem Vortrag damit die von Dominik Geppert bereits vermutete Nachhaltigkeit der Presseberichte.

Mit der Zeit, in der das negative Deutschlandbild dominierte, beschäftigte sich sodann der Vortrag von THOMAS WITTEK (Düsseldorf) über die Berichterstattung aus Weimar Deutschland. Dabei ging es jedoch weniger um das inzwischen bekannte Deutschlandbild als vielmehr um die Frage, ob die Medien Einfluss nahmen oder eher beeinflusst wurden. Im Zeitalter der Massenpresse in den 1920er Jahren sei es zu einer enormen Konzentration auf dem Zeitungsmarkt gekommen. Eine eher geringe Zahl von sogenannten Press Barons, wie Northcliffe, Rothermere und Beaverbrook, hätten plötzlich Millionen von Lesern erreichen können. Hinzu kam, wie schon bei Dominik Gepperts Vortrag erwähnt, eine weitere Ausdehnung des allgemeinen Wahlrechts, welches die Presse nun vollends zu einem unübersehbaren politischen Akteur werden ließ. Die Pressebarone seien damit so einflussreich geworden, dass sie von Churchill ausdrücklich als Gefahr betrachtet wurden, weil sie eigene politische Agenden verfolgten, keiner Kontrolle unterlagen und über eine „power without responsibility“ (Stanley Baldwin) verfügt hätten. Was sich bereits vor dem Krieg andeutete, habe sich nun fortgesetzt. Die politischen und die medialen Ebenen seien zunehmend ineinander übergegangen. Leitartikler und Zeitungsbesitzer kandidierten für politische Ämter und wurden Mitglieder einer der beiden Parlamentshäuser. Hinzu kam, dass das „Ministry of Information“ zwar mit Beendigung des Krieges aufgelöst wurde, aber das Foreign Office seine eigene Presseabteilung behalten habe und so die Pressebeziehungen ebenfalls als Weiterentwicklung zur Vorkriegszeit professionalisiert und institutionalisiert worden seien. Die Zeit der so scharf kritisierten Geheimdiplomatie ging damit endgültig zu Ende. Es habe deshalb erst recht die Stunde der Auslandkorrespondenten geschlagen, die nun immer mehr zu transnationalen Akteuren wurden. Am Beispiel von Augustus Voigt (Manchester Guardian) und George Ward Price (Daily Mail) gelang es Wittek, das bekannte „Zwei-Deutschland-Bild“ nachzuzeichnen, da Voigt versucht habe, die differenzierte Problematik Weimar Deutschlands zu darzustellen, während Price vornehmlich vom Kriegs-Image geprägt gewesen sei und davon ausging: „Once a Hun, always a hun.“ Dieses bipolare Interpretationsschema spiegelte sich natürlich auch bei der Berichterstattung über die Ruhrkrise und die Locarno Konferenz wider. Die Zwei-Deutschland Theorie trug dazu bei, dass Skepsis und unbedingte Loyalität gegenüber Frankreich allmählich einer differenzierteren Betrachtung Platz machte. Politiker wiederum hätten zunehmend Korrespondenten als Informationsquelle genutzt und gerade im Falle Locarnos auch ihre Berichterstattung zu beeinflussen versucht.

Die anschließende Diskussion zeigte wie gut sich die einzelnen Beiträge thematisch wie inhaltlich ineinander verschränkten und eine deutliche, epochenübergreifende Entwicklung zu erkennen ist: von den Journalisten als Akteure im nationalen Rahmen zu Beginn des 19. Jahrhunderts hin zur Funktion als transnationale Akteure im Zeitalter des Imperialismus und der Zwischenkriegszeit. Auch die bereits von Colin Seymour-Ure beschriebene Medienkonzentration oder das kritische Verhältnis von Presse und öffentlicher Meinung, wie dies bereits Hannah Barker für das 18. Jahrhundert festgestellt hatte, fand sich in allen Beiträgen wieder.

Auf Sefton Delmer als einen einzelnen transnationalen Akteur konzentrierte sich das folgende Referat KAREN BAYERS (Düsseldorf). Delmer, den sie zunächst vorstellte, berichtete in den 1950er Jahren für den Daily Express aus Berlin. Im kaiserlichen Berlin aufgewachsen, wurde sein Vater während des Krieges interniert bevor die Familie 1917 nach Britannien übersiedeln durfte. Nach dem Studium sei er von Beaverbrook entdeckt und für den Express als Deutschlandkorrespondent angeworben worden. Berühmt wurde Delmer als Exklusivberichterstatter von Hitlers Wahlkampagne „Hitler über Deutschland“. Eine Erfahrung, die ihn nicht mehr loslassen sollte. Fasziniert von der Nazi-Bewegung habe er deren Sieg bereits frühzeitig prophezeit. Angewidert von der Ermordung seines Freundes Ernst Röhm jedoch habe er Deutschland Mitte der 1930er Jahre den Rücken gekehrt und arbeitete zunächst als Kriegspropagandist für die BBC bevor er nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurückkehrte. Als Chefkorrespondent und aufgrund seiner Hitler Erfahrungen ein Star unter den Reportern der Fleet Street habe er es, so Bayer, zu seiner Hauptaufgabe gemacht, seinen Landsleuten die „Deutsche Frage“ zu erläutern. Sein berühmtester Beitrag dazu sei eine Artikelserie von 1954 gewesen, in der er unter dem Titel „How dead is Hitler?“ eine Rückkehr des Nationalsozialismus prophezeite. Indizien dafür waren ehemalige SS Organisationen, die Organisation Gehlen, die ungehindert „Jobs for Gestapo boys“ offenhalte und seine Gespräche mit Hans Globke. Die Reaktion der deutschen Zeitungen auf Delmers Enthüllungsgeschichte habe von milder Kritik (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt), verhaltener Zustimmung (Neue Rhein Zeitung) bis hin zu offener Feindschaft (Essener Allgemeine Zeitung, Berliner Morgenpost) gereicht. Der britische Außenminister zeigte sich empört über Delmers Berichte, schließlich solle der jungen Bundesrepublik schon in Anbetracht des Sowjetkommunismus eine Chance gegeben werden. „The more Delmers, the more Hitlers and the less Adenauers“ lautete hier der Kommentar. Delmer, der zunächst fasziniert von der Hitler Bewegung berichtet hatte, stilisierte sich nun zu einem ewigen Warner vor der deutschen Gefahr. Delmer habe ein untrügliches Gespür für die Sensation und die Wünsche seines Verlegers Beaverbrook ausgezeichnet. Die Daily Express sei durch beide zur einzigen konservativen Zeitung Britanniens geworden, die eine Westbindung und Wiederbewaffnung Deutschlands ablehnte. Zur Entspannung deutsch-britischer Beziehungen sollte nicht beigetragen werden, sondern eher zur Vorsicht gegenüber dem ehemaligen Feind gemahnt werden.

Mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre rundete ANTJE ROBRECHT (Marburg) die rundum gelungen Tagung ab. Wiederum ging es um Auslandskorrespondenten als Akteure deutsch-britischer Beziehungen. Sie konzentrierte sich dabei auf die britischen Korrespondenten, die aus Bonn und Berlin berichteten. Zunächst hätten sich die englischen Korrespondenten isoliert und durch die restriktive Informationspolitik der Britischen Militärregierung in ihrer Berichterstattung eingeschränkt gefühlt, während ihre amerikanischen Kollegen wesentlich besser informiert worden sein. Dies sollte sich erst mit der Gründung der Bundesrepublik allmählich, wenn auch sehr langsam, ändern. Von nun an berichteten die Korrespondenten weniger von der Politik der Militäradministration, sondern von Deutschland und benutzten ausgiebig deutsche Quellen. Deutschland sei aber nicht nur ein besetztes Land, sondern auch die Front des Kalten Krieges gewesen. So wenig sich die britischen Korrespondenten von ihren Vorbehalten gegenüber dem einstigen Feind hätten lösen können, so sehr hätten sie nun erkannt, dass vor allem Westdeutschland als Demokratie gestützt werden müsste. Aus Sorge, als Propagandainstrumente benutzt zu werden, hätten schließlich die meisten englischen Zeitungen deshalb auch eine formale Akkreditierung ihrer Korrespondenten für Ost-Berlin abgelehnt. Es sollte deutlich werden, dass sie das kommunistische Regime grundsätzlich ablehnten. Journalisten verstanden sich als Teil des Westens und als dessen Repräsentanten. Ebenso seien sie auch von den jeweiligen Regierungen wahrgenommen worden. Im besonderen Maße habe dies für die junge Bundesrepublik und Konrad Adenauer gegolten. Immer wieder habe er ausländische Korrespondenten genutzt, um auf diese Weise das Ansehen Deutschlands im Westen zu verbessern. Umgekehrt sei aber auch die Londoner Regierung an einer eher positiven Berichterstattung aus West-Deutschland interessiert gewesen. Dies habe vor allem für die Times gegolten, die Adenauer insbesondere in der Person John Henry Freeman stets unterstützt habe. Charles Hargrove habe sich hier besonders verdient gemacht und sich selbst als zweiter „Ambassador“ seines Landes verstanden. Selbstverständlich bewegte er sich, so Robrecht, in höchsten Politiker und Diplomatenkreisen.

Ob als Aufpasser oder inoffizielle Diplomaten, Korrespondenten, dies wurde auch bei Antje Robrechts Vortrag deutlich, sind Akteure, die es bei der Erforschung der Internationalen Beziehungen stets zu beachten gilt.

Insgesamt bot die Konferenz einen gelungenen und spannenden Einstieg in ein inzwischen bekanntes, aber weithin noch unbearbeitetes Themenfeld internationaler und transnationaler Geschichte. Das Verständnis, Journalisten nicht nur als Kommentatoren, sondern auch als Kommunikatoren und maßgebliche Akteure der historischen Entwicklungen zu betrachten, geht weit über den impressionistischen Charakter früherer Ansätze zur Pressegeschichte hinaus. Es bietet neue Perspektiven sowie weitere Interpretationsspielräume und Bewertungsmaßstäbe. Transfer und Vergleichsebenen lassen sich ebenso behandeln wie transnationale und interdependente Entwicklungsmuster. Die Gesamtschau über zwei Jahrhunderte Presse- und Politikgeschichte förderte überdies stets anregende, vor allem die diachrone Ebene der Themen hervorhebende, Diskussionsbeiträge. Weitere Forschungen dürfen sich schon jetzt auf den beabsichtigten Tagungsband freuen.


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10.10.2007
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Conf. Language(s)
German
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